Gott – MainEcho vom 19. Juni 2003

»Ein gutes Stück, alles was ihm fehlte, war ein Schluss!«

Umjubelte Premiere der Woody-Allen-Komödie »Gott« bei den Alzenauer Burgfestspielen. Stück im Stück mit einer Prise Lokalkolorit

Alzenau. »Mein Gott, war das gut«, bemerkte begeistert eine Frau auf dem Nachhauseweg und wischte sich seufzend eine letzte Lachträne aus den Augenwinkeln. So beziehungsreich äußerten sich viele Besucher nach der Premiere der Woody-Allen-Komödie »Gott« am Freitagabend bei den Alzenauer Burgfestspielen.

Wieder entführte der Theaterverein »kultBurG« in das antike Griechenland, doch

ganz anders war dieses Stück unter der Regie von Josef Pömmerl als das ebenfalls höchst gelungene Auftaktwerk »Lysistrata«, das aus der Feder des griechischen Dichters Aristophanes stammt.

Das eher unbekannte Werk »Gott« lässt zu Beginn des Stücks (der eigentlich auch der Schluss ist) den Schauspieler Diabetes und den angehenden Star-Dichter Hepatitis (erstklassig: Jens Schneider und Johannes Schaack) in Verzweiflung darüber verfallen, weil ihnen kein Schluss für das Stück von Hepatitis einfällt, denn schließlich: »Alles in der Natur hat Anfang, Mitte und Schluss.« Worauf Hepatitis zweifelnd fragt: »Und der Kreis?«

Aus »schrecklichen Orten« » Leute, habt ihr nicht irgend welche Ideen?«, werden schließlich die Gäste gefragt, worauf prompt der Rüffel folgt: »Hör auf, mit dem Publikum zu reden!« Denn, »die da« sind schließlich aus Hörstein, Albstadt oder aus irgendwelchen anderen »schrecklichen Orten.«

Auf der Suche nach einer Philosophie-Studentin (»macht’s was, wenn’s die Frankfurter Uni ist?«) wird man unter den Zuschauern fündig. Die quicklebendige und ständig einen Orgasmus suchende Doris aus Hanau (Tanja Huber mit Esprit) ruft ihrer Freundin im Publikum noch schnell zu »Ich hab’ was mit ‘nem Griechen laufen« und schon ist sie im Stück. Sie ist es auch, die für die pfiffige Erfindung von Trichinosis (Andy Eul) den tollen Namen »Deus ex machina« erfindet und das damit begründet, dass ihr Vater bei Singu-lus arbeitet.

Mittlerweile rebelliert das Publikum im unteren Burghof. »Das ist ein doofes Stück«, schimpft eine Frau lautstark und eilt zum Ausgang, worauf Lorenzo Müller (Josef Pömmerl), der das Publikum erfand, zufrieden bemerkt: »Ich schrieb sie extrem wütend.«

Auch Anrufe bei Woody Allen (Florian Zimmer) bringen den mittlerweile schon ganz verzweifelten Hepatitis nicht zu einem guten Schluss. Irgendwann weiß niemand mehr, ob er noch real ist oder nur erfunden, ob Gott lebt oder tot ist und ob die Göttermaschine nun 26,50 Euro oder Mark pro Stunde kostet.

Doch schließlich steht der Uraufführung des Stücks »Der Sklave« beim Athener Dramenfestival nichts mehr im Wege. Ein Chor (einfach köstlich: Anja Munder, Emilia Neumann und Anna Iaquinta) geben dem Publikum klare Anweisungen für den Grad des Applauses. Die Geschichte des Sklaven Phidipides (auch Jens Schneider) beginnt mit einem Zufall: Klara (Katharina Wilz im Dirndl) und Reiner Zufall (Tobias Graupner in Hawaiihemd und sächselnd) offerieren dem Sklaven in urkomischer Art und Weise für das Überbringen einer Botschaft an den König die Freiheit und ein 16-teiliges Silberbesteck. »Mach schon, du Pflaume«, drängt der Chor den Überlegenden, »das Stück hängt durch!« Phidipides würde gerne helfen, doch »ich hab´ einen Braten im Ofen«, stammelt dieser. Als der Sklave schließlich zusagt, singt der Chor ausgelassen: »Jawoll, meine Herrn, so haben wir es gern`.«

Zeus ist tot

Nach vielen weiteren Turbulenzen bricht die Gottmaschine wegen technischen Defekts dem verehrten Zeus (Michael Woschek) das Genick das Stück gerät vollends aus den Fugen. »Improvisiert den Schluss«, heißt es nun. Hepatitis jammert, weil die echte Botschaft seines Stücks nun nicht mehr rüber kommen kann. »Wenn Sie eine Botschaft übermitteln wollen, wenden Sie sich an die Post«, lautet die Auskunft und lustig klingelnd radelt eine Postbotin auf die Bühne.

Im großen Finale bevölkern zu den Klängen von »YMCA« auf einmal die unterschiedlichsten Figuren die gesamte Szenerie. Romeo und Julia von den Burgfestspielen des vergangenen Jahres rennen durch das Publikum, Lara Croft und Eminem suchen nach Bösewichtern und Opfern, Harlekin und Cheerleaders geben sich die Ehre. Diabetes tröstet Hepatitis nicht wirklich mit dem Satz: »Es war ein gutes Stück, alles was ihm fehlte, war ein Schluss.«

Doch den größten Lacherfolg erzielt am Ende von »Gott« das unerwartete Erscheinen eines …, doch halt, das gucken Sie sich am besten selbst an, live und vor Ort, vielleicht auch im Stück selbst, denn was ist schon Realität und was Fiktion? Regisseur Josef Pömmerl und dem über 20-köpfigen »kultBurG«-Ensemble gelang es, mit »Gott« ein turbulent-witziges Stück auf die Bühne zu bringen, das nach gewohnter Woody-Allen-Manier die drei Themen Sex, Tod und Philosophie auf satirische Weise verarbeitet. Dabei wurde dem Werk eine solch umwerfende Portion sprühenden Lokalkolorits beigemengt, dass die Anspielungen von Aschaffenburg bis Frankfurt für viele zusätzliche Lacher sorgten. Die Situation, ein Stück im Stück zu sehen, das zudem noch von Figuren, die nicht zu diesem Stück gehören, »gestört« wird, kam großartig beim Publikum an und wurde mit donnerndem Applaus belohnt.

Doris Huhn