Ein Mord im Nirgendwo – MainEcho vom 05. März 2013

Lesung: Sven Görtz stellt auf Einladung des Kultburg-Vereins seinen Kriminalroman vor

Alzenau-Michelbach  Regionalkrimis liegen immer noch im Trend: Aufgrund der Vielzahl in den letzten Jahren veröffentlichter Mordgeschichten hat inzwischen fast jede Stadt und Kommune Deutschlands ihre eigenen fiktiven Verbrechen und Ermittler.

Eine gewisse Sättigung scheint erreicht, und man könnte annehmen, neue Regionalkrimi-Autoren hätten es schwer, sich inmitten der bereits Etablierten durchzusetzen, die längst alle Regionen Deutschlands mit literarischem Mord und Totschlag übersät haben.

Dass dem nicht so ist, zeigt das Beispiel des Hörbuchsprechers, Autors und Kabarettisten Sven Görtz, der am Freitagabend in Simons Weingasthof in Michelbach seinen ersten Kriminalroman »Da liegt ein Toter im Brunnen – Ein Krimi mitten aus der Provinz« vorstellte. Die Besonderheit: Die Geschichte weist zwar alle Merkmale eines klassischen Regionalkrimis auf, inklusive viel Lokalkolorit und schrulliger Ermittler, spielt jedoch an einem Ort, den es gar nicht gibt: Bad Löwenau heißt das erfundene Städtchen, von dem man nur weiß, dass es irgendwo in der Provinz liegt. Und im zentralen Brunnen auf dem Bad Löwenauer Marktplatz liegt eines Tages – der Titel verrät es bereits – ein Toter.

Viel mehr erfahren die rund 30 Besucher der Lesung nicht über den Mordfall, denn der Gießener Sven Görtz, der auf Einladung des Alzenauer Theatervereins Kultburg bereits zum dritten Mal in Alzenau gastierte, konzentriert sich auf die Darstellung diverser Haupt- und Nebenfiguren, deren skurrile Facetten er mit Hilfe von Stimme, Mimik und Gestik zum Leben erweckt. 

Görtz, der Hörbuchfreunden als die deutsche Stimme von Paulo Coelho bekannt ist, spricht angenehm und sonor, liest weniger ab als dass er mit Blick ins Publikum von seinen Figuren erzählt, die ihm sichtlich und hörbar ans Herz gewachsen sind.

Im Mittelpunkt steht das ermittelnde Duo aus Kriminalhauptkommissar Rubin und dem Lokaljournalisten Bernstein. Die beiden Hochkaräter werden flankiert von Akteuren wie einem hektischen italienischen Wirt, dem dubiosen Russen Igor oder dem arroganten Hotelgast Dr. Sommerlauch, die Görtz mit präzisen, leicht überspitzten Stimmimitationen darstellt. Das Publikum schmunzelt und folgt seinem Vortrag aufmerksam.

Es sei schon immer sein Traum gewesen, einen Krimi zu schreiben, erzählt Görtz, der mit der Verortung der Handlung in einem fiktiven Städtchen eine Nische gefunden zu haben scheint: Ein zweiter Fall ist bereits in Arbeit, eine ganze Bad-Löwenau-Serie in Planung.

Regionalkrimi-Liebhaber dürfen sich freuen: Wenn nun auch Städte, die es gar nicht gibt, ihre eigenen Mordfälle und Ermittler bekommen, wird die Flut der Neuveröffentlichungen in diesem Sektor so schnell nicht abreißen.

Susanne Hasenstab