123 – MainEcho vom 5. Juli 2004

Überzeugter Kommunist wird Kapitalist

Premiere der Alzenauer Burgfestspiele: »kultBurG« präsentierte in glänzender Spiellaune urkomisches Stück

Alzenau. Schäfchenwolken segelten am Freitagabend am blauem Himmel über die Burg Alzenau. Und das hatte die urkomische Premiere von »Eins, zwei, drei« auch verdient. In glänzender Spiellaune präsentierten 27 Mitglieder des Theatervereins »kultBurG« drei Stunden lang das Hauptstück der alljährlichen Alzenauer Burgfestspiele von Fritz Molnár in der Fassung von Billy Wilder, die Regisseur Josef Pömmerl noch einmal aufpoliert hatte. Am Ende eines langen und wunderschönen Abends zeigte der donnernde Applaus im voll besetzten unteren Burghof, dass der Verein auch heuer die Erwartungen, die mittlerweile bei jeder Premiere ein wenig höher gespannt werden, voll und ganz erfüllt hat.

 

In das geteilte Berlin der sechziger Jahre entführt die spritzige Ost-West-Komödie: Mit der leidenschaftlich geschmetterten »Internationale« zog der Chor der Theatergruppe, unterstützt vom Kälberauer Kirchenchor, unter Leitung von Jürgen Wahl aus Kahl mit wehenden Fahnen in den unteren Burghof ein und brachte im Laufe des Abends mit Liedern von »Bei mir biste scheen« bis »Ausgerechnet Bananen« musikalischen Schwung in die Inszenierung.

Mister McNamarra, Leiter der Coca-Cola-Filiale in West-Berlin, liebt sein Vaterland. Zu jeder vollen Stunde, wenn die Kuckucksuhr schlägt, verharrt er mit der Hand auf dem Herzen und wartet darauf, bis sich das Türchen öffnet und ein Mini-Uncle-Sam mit amerikanischen Fahnen zu beiden Seiten erscheint. Klaus Kolb spielt diese Rolle mit Leib und Seele, bewältigt eine Menge Text mühelos und reißt sowohl das Publikum als auch seine Kollegen mit.

Auch Matthias Wissel in der Rolle des immer noch Haken schlagenden Sekretärs Schlemmer überzeugt durch unbändige Spiellaune. McNamarras blonde Sekretärin Ingeborg setzt Anja Munder mit wohl dosiertem Charme und Sexappeal in Szene. Wie auf den Leib geschneidert, scheint die Rolle des 17-jährigen amerikanischen Millionärstöchterchens Scarlett für Anna Iaquinta. Immer auf der Suche nach Spaß dreht sie als Verliebte und dem Titel gemäß »Eins, zwei, drei« verheiratete Gattin zu Höchstleistungen auf. Jens Schneider verkörpert den jungen wütenden Kommunisten Otto Piffl, Scarletts Objekt der Begierde, mit unbändiger Energie und spuckendem Einsatz. Zwar scheint die Wandlung des »jungen Wilden« am Ende ein wenig unwahrscheinlich, doch so erlebt das Publikum ein ungetrübtes Happy End.

Auf witzige Weise wird in der rund 80 Jahre alten Story, die Billy Wilder für seine Filmfassung in den sechziger Jahren in das geteilte Berlin verlegte, deutsche Geschichte aufgearbeitet. Da redet McNamarras Frau Phyllis (gut: Maria Fleschhut) ihren Mann mit »Mein Führer« an, da müssen sich einige Akteure böse zurückhalten, um nicht mit ausgestrecktem Arm zu grüßen. Und Schlemmer, der behauptet hat, während des Kriegs in der U-Bahn gearbeitet zu haben, muss dann doch zugeben, dass es wohl die SS-Bahn war.

Einige der komischsten Szenen steuert die Russendelegation bei: Egon Pichl, Christian Pohl und die unvergleichliche Marianne Hofmann, die auch in einer Szene ohne Worte die Aufmerksamkeit am Bühnenrand auf sich zog, sorgten als Genossen, die dem Wodka und den Frauen nicht abgeneigt sind, für Heiterkeit.

McNamarras Organisationstalent wird überstrapaziert, als er erfährt, dass sich die ihm anvertraute Scarlett, Tochter seines Chefs, seit Wochen mit einem Kommunisten trifft. Auf seine Frage, was die beiden denn nachts so machen, antwortet Scarlett unschuldig: »Ich wasche seine Hemden, und er erweitert meinen Horizont.« »Du bist aber nicht schon wieder verlobt, oder?«, fragt McNamarra sicherheitshalber nach und atmet erleichtert aus bei ihrem »Nein«, dem sie aber ein strahlendes »Verheiratet!« hinzufügt.

Auch über die mit Hammer und Sichel versehenen Eheringe (»aus dem ehrlichen Stahl einer Kanone aus Stalingrad«) kann er sich nicht wirklich freuen, zumal Scarlett Parolen skandiert wie »Afrika den Afrikanern, Afri Cola für alle«. Einen heftigen Schlagabtausch liefert sich McNamarra mit dem kurz darauf auftauchenden Kommunisten Otto, der seine Verachtung über den ausbeuterischen kapitalistischen Westen in vielfältiger Weise Ausdruck verleiht. Bemerkungen wie »Wir begraben Westeuropa!« pariert der Amerikaner allerdings nur mit einem trockenen: »Ja, begrabt uns, aber heiratet uns nicht!

«Szenenweise verschwammen die Grenzen zwischen Laien- und Profitheater bei der Aufführung wegen der hervorragenden Leistungen der eingespielten Truppe. Wer sehen möchte, wie ein Flugzeug im Burghof landet, wissen will, warum eine Ärztin im nachtblauen Walküren-Kostüm zur Visite erscheint, warum das Publikum das Aufstehen üben muss, und wie man »Eins, zwei, drei« aus einem überzeugten Kommunisten einen respektablen Kapitalisten machen kann oder wer sich einfach einmal einen Abend lang herrlich unterhalten möchte – der sollte sich schnellstens um Eintrittskarten bemühen. Doris Huhn Die nächsten Vorstellungen sind am Freitag, 9., und Samstag, 10. Juli, sowie am Freitag, 16., und Samstag, 17. Juli, jeweils um 20 Uhr. Weitere Infos und Kartenverkauf: städtisches Verkehrsamt im Rathaus, 06023/502-112.

Was e Bescherung – MainEcho vom 15. Dezember 2003

»Was e’Bescherung«

Diese Bescherung kam vielen bekannt vor
Alzenaus Theaterverein »kultBurG« bot ein Weihnachtsspiel der etwas anderen Art

Alzenau. Erna, der Baum nadelt! Was tun, was tun? Keiner wusste Rat bei der »kultBurG«, Alzenaus Theaterverein. Und dann hörte der Baum plötzlich einfach wieder auf zu nadeln. Mit dieser und anderen kleinen Geschichten zeigte die Theatergruppe am Wochenende Weihnachten auf etwas andere Art. Ein Medley heiterer, skurriler und manchmal fast schon nachdenklicher Stücke rund um das doch eigentlich besinnliche Weihnachtsfest und die ach so schöne Adventszeit hatte die »kultBurG9 unter dem verräterischen Titel »Was e Bescherung!« zusammengestellt.

 

Den Ausruf des Entsetzens hörten am Wochenende zahlreiche Zuschauer, alle drei Vorstellungen waren nahezu ausverkauft. Die 25 Laienschauspieler legten unter der Regie von Josef Pömmerl ihr weihnachtliches Herzblut in die Gedichte und Einakter, herrlich komisch und oft mitten aus dem eigenen Leben gegriffen. Sie zeigten bekannte Szenen wie Plätzchen backen, Nikolausbesuch oder Baum aufstellen von einer ungewöhnlichen, aber irgendwie doch nicht ganz so unbekannten Seite.

Nur stellt man das doch eigentlich Harmonie fördernde Fest für gewöhnlich nicht so erfrischend direkt und respektlos dar. Zum Glück gibt es Theater. Dazu schwäbelte, sächselte und hesselte es ganz unheilig auf der Bühne. Nein, beschauliche und romantische Weihnachtsgeschichten gab es wahrlich nicht zu sehen, es durfte herzlich gelacht werden. Gedichte von Heinz Ehrhart und Erich Kästner passen immer in einen Abend, bei dem sich der Zuschauer der manchmal schon grotesken Züge moderner Weihnacht bewusst werden soll. Und welche Eltern fürchten nicht wie in der Geschichte von Robert Gernhardt einen studentischen Weihnachtsmann, der nicht nur die braven Kinder auf die Schnelle zu kleinen Revolutionären erziehen will, sondern auch noch Knecht Ruprecht, das Christkind und den Nikolaus zum Gelage mit den kalten Platten einlädt wo die doch für die Gäste bestimmt sind!

Am herrlichsten waren aber Stücke, die nicht ein Karl Valentin, Erich Kästner oder gar das anonyme Internet vorgegeben hatte, sondern die von den Schauspielern selbst geschriebenen. Marianne Hofmann, Rita Mengele und Anni Christ-Dahm zogen in ihrer Geschichte als heilige drei Könige pardon, Königinnen natürlich! echt weiblich maulend, streitend und diskutierend zur Krippe. Ob sich das Kind wohl über die Hanfblätter und Zigarettenschachtel mit der aufgeklebten Warnung vor dem tödlichen Inhalt, die billigen Goldkettchen aus der untersten Schublade und das gute »Röuchermönnchen ous döm Örzgebörge« für die selige Maria gefreut hat? Jedenfalls muss man sich nach einem solchen Besuch einfach aufregen über den Dreck im Stall und all die »Viecher«. Da eilt frau nach der Pflicht doch lieber schnell nach Hause, wo der Devisenberater wartet …

Wer Weihnachten einmal von der etwas anderen Seite betrachtet hat, erlebt das christliche Fest vielleicht bewusster. Denn zum Glück haben die Alzenauer Zuschauer trotz aller Komik und Groteske nicht den Glauben ans schöne Weihnachten verloren, wie der donnernde Applaus bewies. Vielleicht hängt ja aber nun eine Lichterkette weniger im Wohnzimmerfenster die Wachskerze tut s schließlich auch.

Susanne Link

Norway today – MainEcho vom 9. Oktober 2003

Ein Grenzgang zwischen Tod und Leben

Theaterverein »kultBurG« überzeugte mit »norway.today« im Rahmen der Kulturtage Alzenau.

Am 9. Februar 2000 stürzte sich ein 24 Jahre alter Norweger vom 600 Meter hohen Prekestolen-Felsen in Norwegen in den Tod in Begleitung einer jungen Österreicherin. Beiden hatten ihren Selbstmord im Internet verabredet. Zurück blieben nur die Stöckelschuhe. Der norwegische Autor Igor Bauersima hat diese Geschichte nachrecherchiert heraus kam eines der derzeit meist gespielten Bühnenstücke auf deutschen Theatern: »norway.today«.

 

Der Theaterverein »kultBurG« zeigte im Rahmen der unterfränkischen Kulturtage in Alzenau dieses Stück. Premiere in ausverkauften Maximilian-Kolbe-Haus war am Dienstag. Die unterfränkischen Kulturtage stehen unter dem Motto »Grenzgänge« und im Gegensatz zu den meisten Veranstaltungen der Kulturtage Weck, Woarscht und Woi handelt es sich bei »norway-today« um einen echten Grenzgang zwischen Leben und Tod, wahrem Leben und Scheinwelt.

Dennoch ist »norway.today« kein Drama. Die Versuche von Julie, ihren »Abgang« möglichst professionell zu inszenieren, während August immer wieder von den Banalitäten des Alltags eingeholt wird etwa wenn er Angst bekommt, sein letzter Gedanke könnte einem Zitroneneis gelten sorgen für einen skurrilen, manchmal sogar morbiden Humor.

Tobias Graupner und Katharina Wilz spielen die beiden Jugendlichen Julie und August in einer grandiosen Leistung. Julie möchte aus dem Leben scheiden, weil sie denkt, schon alles erlebt zu haben, August, weil für ihn das Leben nur »fake« ist, falsch. »Das echteste Gefühl, das ich haben kann, ist, dass nichts ist.« Dabei haben die beiden Wohlstandskinder die Welt immer nur künstlich erlebt, sind selbst ein Teil der Computer- und Medienwelt geworden. Rücken an Rücken sitzen Julie und August am Anfang an ihren Computern, der Dialog steht als eiskalte, blaue Projektion des Internet-Charts zwischen ihnen. Später versuchen beide, ihre Gefühle selber auf Video zu bannen, und kommen dabei zu dem Ergebnis, dass es nicht gelingt, oder wenn, dann nur als »fake«.

Julie ist am Anfang die energischere Person, die den Selbstmord eiskalt plant. »Anfänger« wirft sie August vor, und »Du hast im Taxi gezittert«. Am Ende wird sie selber wie ein Häufchen Elend am Boden sitzen, während August sie mit der Videokamera umkreist. Dazwischen werden beide mit dem wirklichen Leben konfrontiert. Ein Polarlicht und eine gemeinsame Liebesnacht bringt Julie zu der Überzeugung: »Ich habe doch noch nicht alles gehabt«. Von ihren Gefühlen überwältigt, greifen beide zur Videokamera, um sich dahinter zu verstecken. Doch es gelingt nicht. Am Ende werden sie nicht springen, sondern die Kamera in den Abgrund werfen.

Regisseurin Ursula Jebe ist mit »norway.today« eine großartige Inszenierung gelungen. Auf einer minimalistischen Bühne drei weiße Dreiecke vor schwarzem (Ab)-Grund entfaltet sich mit viel technischem Aufwand ein Panoptikum echter und falscher Gefühle. Projektion und Wirklichkeit Dabei läuft der Zuschauer stets Gefahr, in die falsche Welt der Bilder mit hineingezogen zu werden, denn der Zuschauer sieht nicht nur die Schauspieler, sondern zugleich, als Projektion, deren Abbild durch die Videokamera. Die Verlockung ist groß, lieber den künstlichen Bildern zu folgen als den wahren Personen. Davor bewahrt immer wieder das Spiel der beiden Schauspieler, denen es gelingt, stets »echt« rüber zu kommen. Wie sagt Julie: »Fake muss offenbar nicht immer fake sein. Fake kann total echt sein manchmal«.

Josef Pömmerl

Lysistrate – FAZ vom 21. Juni 2003

Von der Macht der Frauen und umgekehrt

Ein Stück um die Leidenschaft: “Lysistrata” bei den Burgfestspielen in Alzenau

ALZENAU. Lysistrata ist eine kluge Frau. Viel klüger ist die Athenerin als alle Weiber in Griechenland und klüger als die Männer allemal. Denn Lysistrata denkt über das Heute hinaus. Sie hat das Ganze im Blick und weiß, daß es manchmal für den Moment besser ist, Verzicht zu üben, um für die Zukunft das Glück zu gewinnen.

 

Diese Erkenntnis unter die Menschen zu bringen, hat sich vor mehr als 2000 Jahren schon der antike Dichter Aristophanes bemüht. Mit seiner Version von “Lysistrata” wagt sich das Alzenauer Theaterensemble “Kultburg” bei den dritten von der Stadt veranstalteten Alzenauer Burgfestspielen jetzt an einen abermaligen Versuch.

Die Handlung der griechischen Komödie ist schnell zusammengefaßt: Die Frauen von Griechenland sind des langen Krieges unter den Stadtstaaten leid. Sie wollen ihre Männer endlich wieder auf Dauer bei sich haben und ihre Nächte nicht mehr monatelang allein in einsamen Schlafzimmern verbringen. Da ruft Lysistrata, die “Heeresauflöserin”, die namhaften Frauen aus Athen, aus Attika, Korinth und Theben zusammen und bittet auch die Ehefrauen der feindlichen spartanischen Krieger hinzu.

Unter ihnen herrscht keine Zwietracht. Dennoch fällt es Lysistrata schwer, den Damen ihren Plan schmackhaft zu machen, denn er bedeutet auch für sie bitteren Verzicht. Alle Soldatenfrauen sollen ihren Männern die ehelichen Freuden verwehren, solange sie nicht untereinander Frieden geschlossen haben. In Athen besetzen die Frauen überdies die Burg, am Originalschauplatz die Akropolis, und beschlagnahmen die Kriegskasse. Ein Eid, nicht auf Blut geschworen, wie es die Männer tun, sondern auf edlen Wein, besiegelt den Pakt.

Es ist bekannt, wie die Geschichte ausgeht. Die Frauen haben ihre Männer an ihrer empfindlichsten Stelle gepackt, und am Ende herrscht tatsächlich wieder Frieden im Land. Bis dahin aber entwickelt sich auf der Freilichtbühne vor der Burg Alzenau ein turbulentes Geschehen, bei dem die Männer alles andere als eine gute Figur machen.

Überrumpelt von der plötzlichen Entschlußkraft der sonst so hingebungsvollen und zarten Weiblichkeit, bleiben ihre Versuche, den Frauen wenigstens den Staatsschatz wieder abzuluchsen, mehr als halbherzig. Sie lassen sich verprügeln, verspotten und erotisch an der Nase herumführen. Der Pflege der Damen beraubt, verwahrlosen die Männer äußerlich wie innerlich, so lange, bis die Erkenntnis reift, daß es so nicht mehr weitergehen kann.

Aber auch die Frauen um Lysistrata agieren keineswegs nur als Heldinnen. Mit Holzkeulen gehen sie immer wieder auf die Männer los und vergessen dabei ganz, daß sie doch eigentlich für den Frieden kämpfen. Überdies versucht eine nach der anderen, unter fadenscheinigen Gründen, sich aus der besetzten Burg davonzustehlen, um ihre eigenen Begierden im heimischen Ehebett zu stillen. Doch Lysistrata packt sie alle am Schlafittchen und führt sie mit sanfter Strenge auf den Pfad der Tugend zurück.

Nach “Lukas, der Silberschmied von Alzenau” im Jubiläumsjahr 2001 und “Romeo und Julia” im vergangenen Jahr hat sich das ausschließlich aus Schauspiellaien bestehende Ensemble mit einer griechischen Komödie an keinen einfachen Stoff gewagt. Das fängt schon mit der Tatsache an, daß die mittelalterliche Burgkulisse nicht einmal von einem Hauch des klassischen Griechenlands umweht wird. Die Burg zur Akropolis zu machen, das hat man daher erst gar nicht versucht. Die Frauen besetzen einfach die Athener Burg, dem Zwang zu umständlichen Kulissen hat man sich damit kurzum enthoben. Die Burg darf bleiben, wie sie ist, der Rest bleibt der Phantasie sowie den gelungenen Kostümen überlassen.

Wie in den Vorjahren sind die Schauspieler mit Leib und Seele bei der Sache. Bei “Lysistrata” fehlen allerdings die dominierenden Hauptfiguren wie im ersten Jahr zum Beispiel der Lukas und im zweiten die beiden jugendlichen Darsteller von Romeo und Julia. Dafür bringt in “Lysistrata” das ganze Team eine ordentliche Leistung. Nicht fehlen darf dabei der Kunstgriff, einzelne Mimen unversehens in fränkischen Dialekt verfallen zu lassen. Das ist wie immer einen Lacher wert.

Mit Begeisterung quittiert das Publikum, das die Vorstellungen seit der Premiere in der vergangenen Woche rege frequentiert, überdies auch die einfallsreichen und nur ansatzweise frivolen verbalen Kunstgriffe zur Beschreibung der erotischen Nöte der von Sehnsucht geplagten Männer.

LUISE GLASER-LOTZ

Weitere Vorstellungen von “Lysistrata” gibt es am 27. und 28. Juni sowie am 5. Juli. Nähere Informationen – auch über das zweite Stück “Gott” von Woody Allen – und Kartenreservierung unter Telefon 0 60 23/5 02-1 12 (Verkehrsamt im Rathaus Alzenau).

Lysistrate – MainEcho vom 21. Juni 2003

»Das Wohl und Weh Griechenlands liegt in unserer Hand«

Premiere bei den zweiten Alzenauer Burgfestspielen: Der Theatervertein »kultBurG« begeisterte mit »Lysistrata«

Alzenau. Es blieb trocken. Das war zunächst einmal die wichtigste Meldung anlässlich der Premiere von »Lysistrata« bei den zweiten Alzenauer Burgfestspiele am Mittwochabend im voll besetzten unteren Burghof. Nach den Klängen der »Burgfanfare« bemerkte Bürgermeister Walter Scharwies: »Solche Burgfestspiele können nur entstehen, wenn viele helfende Hände zusammenwirken.« Sein Dank galt unter anderem dem Theaterverein »kultBurG« und der Regisseurin des Stücks, Ursula Jebe. »Wir dürfen griechisches Ambiente im unteren Burghof genießen«, fuhr der Rathauschef fort, »und das vor der Kulisse des königlich-bayerischen Amtsgerichts«.

 

Die von Scharwies angesprochenen »hellenischen Gefühle«, die bereits das mit großen, bauchigen Amphoren bestückte Bühnenbild bei den Gästen weckte, waren dabei sehr wohl »im Spannungsfeld mit germanischem Wetter«, doch angesichts der vergnüglichen Handlung des erfrischenden Sommertheaters waren die besorgten Blicke zum Himmel vergessen und dem Spaß am Zuschauen keine Grenzen mehr gesetzt.

Zeitlos-humorvolle Handlung

Das mehr als 2000 Jahre alte Stück »Lysistrata« von Aristophanes ist nicht nur eine der erfolgreichsten antiken Komödien überhaupt, sondern besitzt darüber hinaus eine zeitlos-humorvolle Handlung, die vor dem Hintergrund zahlreicher Kriege in der ganzen Welt so aktuell ist wie selten zuvor.

Akustisches Schlachtgetümmel zeugte davon, dass die Herren der Schöpfung auf den Kriegsfeldern um Ruhm, Ehre und so manches Zipfelchen Land kämpften. Selbst die goldgewandete Göttin (Regina Kilchenstein in mehreren schönen Tanz-Choreographien) führt eine Lanze mit sich. Doch die griechische Damenwelt beschließt, dass nun damit Schluss ist. Die resolute, emanzipierte und willensstarke Lysistrata (Marianne Hofmann war diese Rolle quasi auf den Leib geschrieben) versammelt ihre Geschlechtsgenossinnen aus dem gesamten Land um sich, um ihren Plan mitzuteilen, denn »das Wohl und Weh ganz Griechenlands liegt in unserer Hand«.

Doch als Kalonike (Gabriele Wittemann), Myrrhine (Anni Christ-Dahm), Eirinie (Maria Fleschhut), Lampito (Rita Mengele als Spartanerin herrlich schwäbelnd), eine Korintherin (Barbara Vogel-Hohm, von der auch die wunderschönen Kostüme stammten) sowie eine Thebanerin (Stefka Huelsz-Träger) hörten, dass das Mittel zum Zweck Liebesentzug ist, winken die Damen unisono ab. »Lass uns die Liebe«, betteln sie zunächst im Chor, doch am Ende erkennen sie: »Was sein muss, muss sein!«

Im Folgenden versorgt sie Lysistrata mit Verhaltensmaßregeln in allen Situationen (»Und wenn sie uns schlagen?« »Gib nach, doch mach’s ihnen schlecht!«). Den Eid schwören die entschlossenen Damen nicht nach Art der Männer auf Opferblut, sondern auf eine schmackhafte Amphore Samoswein.

Groß ist die Empörung bei den Männern, als sie bemerken müssen, dass sie »von Weibern ausgesperrt« wurden, sie also nicht nur den Beischlaf verweigern, sondern auch nach dem Verbarrikadieren in der Akropolis die Staatskasse unter ihren Fittichen haben. Die Chormänner (Egon Pichl, Andreas Eul und Roland Kilchenstein) setzen darauf, mit ihrem Führer (große Klasse: Manfred Jung) die Akropolis an mehreren Stellen »in Brand«. Doch sie haben nicht mit der Chorführerin (überzeugend: Inge Mayer) und ihren Damen (Heike Bösebeck, Britta Olbrich und Carmen Reichenbach) gerechnet. Die Herren müssen als buchstäblich begossene Pudel abziehen.

Die nächste Konfrontation folgt auf dem Fuß: Ratsherr (Klaus Kolb), der sich beziehungsreich als geschäftsleitender Beamter der Stadt Athen, Mathias Simonis, vorstellt, versucht zu vermitteln, doch die Frauen wissen sich auch verbal zu wehren und setzen Aggressivität gegen Aggressivität (»sieh lieber zu, dass deine Mutter dich noch kennt, wenn du heim kommst«).

Der Höhepunkt des Streites gipfelt in einem gemeinsamen Angriff der Frauen auf die Männer: Mit mächtigen Kneifzangen schnappen sie nach den empfindlichsten Teilen der Herren und schlagen sie in die Flucht. Doch der beste Plan nützt nichts, wenn die Ausführenden nicht durchhalten. Das muss Lysistrata leidvoll erfahren. »Es männert uns«, ruft sie entsetzt aus. Die eine Dame täuscht vor, dass sie in der Burg nicht mehr schlafen kann, seit sie die Tempelschlange gesehen hat, die andere ist gleich gewaltig schwanger und will daheim niederkommen, obwohl sie gestern noch keine mächtige Wölbung unter dem Gewand hatte.

Bestes Beispiel für eine standhafte Damen ist Myrrhine, die ihren Mann Kinesios (sehr gut: Johannes Lorentzen) in einer herrlichen Szene zunächst scheinbar willig empfängt, dann aber nach diversen Verzögerungstaktiken barsch abweist. »Jedes Glied fühlt arbeitslos sich«, heißt es nun auf Seite der leidenden Männer.

Auch in anderen Orten ist die Lage zum Verzweifeln. »In Sparta steht alles aufrecht«, verkündet eine durch mächtige Wölbungen unter ihren Gewändern gezeichnete Delegation (Robert Schön, Dieter Gabler und Andreas Burkl) mit Herold (hessisch babbelnd: Josef Pömmerl). Ob sich der Krieg der Geschlechter schließlich noch löst und endlich Frieden einkehrt, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten.

Rundum gelungene Inszenierung

Eine stimmige Kulisse, schöne Kostüme, eine spielfreudige Truppe und witzige Dialoge sorgen auch in diesem Jahr für eine gelungene Inszenierung, die alterslosen Theaterspaß gewährleistet. Dass hier Laientheater geboten wird, muss man tatsächlich dazu sagen, denn immer besser wächst die kultBurG-Gruppe zusammen, immer lockerer gelingt der Auftritt vor großem Publikum. Regisseurin Ursula Jebe hat mit der Auswahl des Stückes nicht nur Gespür für das Machbare bewiesen, sondern auch die Möglichkeiten der schönen Open-Air-Kulisse voll ausgeschöpft. Als Belohnung gab es vom Sponsor der Burgfestspiele, der Sparkasse Aschaffenburg-Alzenau, für jeden eine Flasche Wein.

Doris Huhn

Gott – MainEcho vom 19. Juni 2003

»Ein gutes Stück, alles was ihm fehlte, war ein Schluss!«

Umjubelte Premiere der Woody-Allen-Komödie »Gott« bei den Alzenauer Burgfestspielen. Stück im Stück mit einer Prise Lokalkolorit

Alzenau. »Mein Gott, war das gut«, bemerkte begeistert eine Frau auf dem Nachhauseweg und wischte sich seufzend eine letzte Lachträne aus den Augenwinkeln. So beziehungsreich äußerten sich viele Besucher nach der Premiere der Woody-Allen-Komödie »Gott« am Freitagabend bei den Alzenauer Burgfestspielen.

Wieder entführte der Theaterverein »kultBurG« in das antike Griechenland, doch

ganz anders war dieses Stück unter der Regie von Josef Pömmerl als das ebenfalls höchst gelungene Auftaktwerk »Lysistrata«, das aus der Feder des griechischen Dichters Aristophanes stammt.

Das eher unbekannte Werk »Gott« lässt zu Beginn des Stücks (der eigentlich auch der Schluss ist) den Schauspieler Diabetes und den angehenden Star-Dichter Hepatitis (erstklassig: Jens Schneider und Johannes Schaack) in Verzweiflung darüber verfallen, weil ihnen kein Schluss für das Stück von Hepatitis einfällt, denn schließlich: »Alles in der Natur hat Anfang, Mitte und Schluss.« Worauf Hepatitis zweifelnd fragt: »Und der Kreis?«

Aus »schrecklichen Orten« » Leute, habt ihr nicht irgend welche Ideen?«, werden schließlich die Gäste gefragt, worauf prompt der Rüffel folgt: »Hör auf, mit dem Publikum zu reden!« Denn, »die da« sind schließlich aus Hörstein, Albstadt oder aus irgendwelchen anderen »schrecklichen Orten.«

Auf der Suche nach einer Philosophie-Studentin (»macht’s was, wenn’s die Frankfurter Uni ist?«) wird man unter den Zuschauern fündig. Die quicklebendige und ständig einen Orgasmus suchende Doris aus Hanau (Tanja Huber mit Esprit) ruft ihrer Freundin im Publikum noch schnell zu »Ich hab’ was mit ‘nem Griechen laufen« und schon ist sie im Stück. Sie ist es auch, die für die pfiffige Erfindung von Trichinosis (Andy Eul) den tollen Namen »Deus ex machina« erfindet und das damit begründet, dass ihr Vater bei Singu-lus arbeitet.

Mittlerweile rebelliert das Publikum im unteren Burghof. »Das ist ein doofes Stück«, schimpft eine Frau lautstark und eilt zum Ausgang, worauf Lorenzo Müller (Josef Pömmerl), der das Publikum erfand, zufrieden bemerkt: »Ich schrieb sie extrem wütend.«

Auch Anrufe bei Woody Allen (Florian Zimmer) bringen den mittlerweile schon ganz verzweifelten Hepatitis nicht zu einem guten Schluss. Irgendwann weiß niemand mehr, ob er noch real ist oder nur erfunden, ob Gott lebt oder tot ist und ob die Göttermaschine nun 26,50 Euro oder Mark pro Stunde kostet.

Doch schließlich steht der Uraufführung des Stücks »Der Sklave« beim Athener Dramenfestival nichts mehr im Wege. Ein Chor (einfach köstlich: Anja Munder, Emilia Neumann und Anna Iaquinta) geben dem Publikum klare Anweisungen für den Grad des Applauses. Die Geschichte des Sklaven Phidipides (auch Jens Schneider) beginnt mit einem Zufall: Klara (Katharina Wilz im Dirndl) und Reiner Zufall (Tobias Graupner in Hawaiihemd und sächselnd) offerieren dem Sklaven in urkomischer Art und Weise für das Überbringen einer Botschaft an den König die Freiheit und ein 16-teiliges Silberbesteck. »Mach schon, du Pflaume«, drängt der Chor den Überlegenden, »das Stück hängt durch!« Phidipides würde gerne helfen, doch »ich hab´ einen Braten im Ofen«, stammelt dieser. Als der Sklave schließlich zusagt, singt der Chor ausgelassen: »Jawoll, meine Herrn, so haben wir es gern`.«

Zeus ist tot

Nach vielen weiteren Turbulenzen bricht die Gottmaschine wegen technischen Defekts dem verehrten Zeus (Michael Woschek) das Genick das Stück gerät vollends aus den Fugen. »Improvisiert den Schluss«, heißt es nun. Hepatitis jammert, weil die echte Botschaft seines Stücks nun nicht mehr rüber kommen kann. »Wenn Sie eine Botschaft übermitteln wollen, wenden Sie sich an die Post«, lautet die Auskunft und lustig klingelnd radelt eine Postbotin auf die Bühne.

Im großen Finale bevölkern zu den Klängen von »YMCA« auf einmal die unterschiedlichsten Figuren die gesamte Szenerie. Romeo und Julia von den Burgfestspielen des vergangenen Jahres rennen durch das Publikum, Lara Croft und Eminem suchen nach Bösewichtern und Opfern, Harlekin und Cheerleaders geben sich die Ehre. Diabetes tröstet Hepatitis nicht wirklich mit dem Satz: »Es war ein gutes Stück, alles was ihm fehlte, war ein Schluss.«

Doch den größten Lacherfolg erzielt am Ende von »Gott« das unerwartete Erscheinen eines …, doch halt, das gucken Sie sich am besten selbst an, live und vor Ort, vielleicht auch im Stück selbst, denn was ist schon Realität und was Fiktion? Regisseur Josef Pömmerl und dem über 20-köpfigen »kultBurG«-Ensemble gelang es, mit »Gott« ein turbulent-witziges Stück auf die Bühne zu bringen, das nach gewohnter Woody-Allen-Manier die drei Themen Sex, Tod und Philosophie auf satirische Weise verarbeitet. Dabei wurde dem Werk eine solch umwerfende Portion sprühenden Lokalkolorits beigemengt, dass die Anspielungen von Aschaffenburg bis Frankfurt für viele zusätzliche Lacher sorgten. Die Situation, ein Stück im Stück zu sehen, das zudem noch von Figuren, die nicht zu diesem Stück gehören, »gestört« wird, kam großartig beim Publikum an und wurde mit donnerndem Applaus belohnt.

Doris Huhn

Es war die Lerche – MainEcho vom 15. Juni 2002

Nach Jahren liebt Romeo nur noch Wärmflasche Lisa

Köstliches Theatervergnügen in Alzenau mit »kultBurG« und Ephraim Kishons »Es war die Lerche«

Alzenau. Exakt 29 Jahre und acht Monate sind sie verheiratet, und das sind exakt 29 Jahre und acht Monate zu viel. Schon am Frühstückstisch fliegen die Fetzen, Nettigkeiten wie »Vollkretin« und »Abfallprodukt der Menschheit« werden zum Kaffee gereicht und am Ende stehen entweder die Scheidung oder ein Mord.

 

Die Rede ist von dem berühmtesten Liebespaar der Welt, Romeo und Julia, das Ephraim Kishon in seiner herrlichen Komödie »Es war die Lerche« weiterleben lässt. Seine Einblicke in das Eheleben der beiden nach besagter Zeitspanne sind alles andere als romantisch, bringen allerdings den Rittersaal, in dem das Stück als zweite Veranstaltung der Alzenauer Burgfestspiele von dem Verein »kultBurG« aufgeführt wird, vor Lachen ins Schwanken.

Mit diesem zweiten Werk wollten die Verantwortlichen das erste Stück, Shakespeares Original, ergänzen und gleichzeitig einen Kontrast setzen. Das ist bestens gelungen. Das 90-minütige Werk, das Ursula Jebe in einer großartigen Regieleistung auf die Bühne gebracht hat, verläuft in flottem Tempo, spritzige Dialoge und immer wieder umwerfende Situationskomik unterhalten das Publikum glänzend.

Die sechs Darsteller, allen voran die umwerfende Marianne Hofmann als Julia und der souveräne Josef Pömmerl als drittklassiger Ballettlehrer, verwischen die Grenzen zwischen Laien- und Profitheater mit ihrem Spiel. Großes Lob auch an Klaus Kolb, der Shakespeare mimt, Emilia Neumann, die aufmüpfige Tochter von Romeo und Julia mit Namen Lucretia, Uwe Schramm, der erneut den nun stark gedächtnisgeschädigten Pater Lorenzo verkörpert sowie Rita Mengele in der Rolle der geschwätzigen Amme, die der Weiberheld Romeo mehr begehrt als seine ehemals so geliebte Julia.

Genial gelöst wurde die räumliche Situation im Rittersaal. Die kleinen Nischen dienen als Schlafzimmerersatz, Bad oder Jugendzimmer, aus dem immer wieder Gitarrenklänge erschallen (Musik Sebastian Hennecke). Quer über eine Seite zieht sich eine Wäscheleine mit baumwollenen langen Unterhosen Marke »Nieder-mit-der-Erotik«.

Der Wecker klingelt. Während Momo (ja, richtig, Romeos Kosename) seine Schlafsocke von den Augen zieht, kümmert sich Julia um Schadensbegrenzung in Sachen Make up. Und als ihr Romeo die Verse aus früheren Zeiten deklamiert (»Sprich noch einmal, du holder Engel, du«) meint sie nur hörbar genervt: »Lass doch die alten Geschichten«. Doch es kommt noch schlimmer. Die 14 Jahre alte Tochter Lucretia (»in deinem Alter war ich fast schon Witwe«), offensichtlich auf dem Selbstverwirklichungstrip, schleudert ihrem Vater statt einem gesitteten »Guten Morgen« ein alternatives »Ich verachte dich« entgegen und fügt mit einem süßen Lächeln an »Alter Trottel«, worauf hin ihr Vater artig pariert: »Mein kleines Strichmädchen«.

Lichtblicke im Veronesischen Zuhause bringt für Romeo der Besuch der Amme, die zwar ? das Alter fordert seinen Tribut ? schwerhörig ist, aber wunderbare Rundungen besitzt, die der ausgehungerte Romeo genießt. Und während Romeo ihr gesteht, dass Julia frigide ist, beichtet diese Pater Lorenzo, dass ihr Mann na, was wohl, impotent ist. Ja, wäre sie nur vor 29 Jahren nicht zu früh aufgewacht, dann hätte Romeo tot zu ihren Füßen gelegen »wirklich schade«!

»Du hast ein Sexproblem«, erkennt denn auch der fromme Pater und rät Julia voll Weisheit: »Geh in ein Kloster, da gibt es viele junge Mönche«. Außerdem soll sie beten, ein »Pater Noster dreimal täglich« oder wie das Ding noch mal hieß und Julia fragt ehrfürchtig: »Vor oder nach den Mahlzeiten«.

Wahrhaft schockierend sind die Offenbarungen Julias über Romeos wahres Intimleben. Seit Jahren unterhält er schon eine Liebesbeziehung zu einer Wärmflasche namens Lisa »und er schläft jede Nacht mit ihr. Was hat sie, was ich nicht habe?« fragt sich die verzweifelte Ehefrau.

Noch einmal eine Überraschung beschert im Stück das Erscheinen von William Shakespeare persönlich, dem das Treiben seiner Figuren im Grab keine Ruhe gelassen hat und sie nun »an Sitte und Anstand gemahnen möchte«. Der Meister selbst ist ebenfalls von der Erinnerung her nicht mehr ganz sattelfest und so mischt er munter Zitate und Personen aus seinen zahlreichen Werken bunt durcheinander, was ein besonderen Spaß für Kenner seiner Lustspiele und Tragödien ist. »Immer diese Textanleihen aus anderen Stücken«, beschwert sich Julia deshalb bei ihrem Mann. Doch dieser zuckt nur die Achseln: »Was willst du machen, er hat das Copyright!«

Ordentlich Kontra geben die beiden ihrem Schöpfer als sie endlich mal zu Worte kommen. »Maestro, Sie sind ein Massenmörder!«, kritisieren sie seine von Leichen geprägten Werke. Und außerdem möchten Romeo und Julia jetzt genau wissen, ob er wirklich der Autor der ihm zugeschriebenen Stücke ist (»Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage«).

Liebe auf den ersten Blick ist es aber, als der Dichter-Geist und die junge Lucretia aufeinander-treffen. Sie findet ihn ganz cool, er ist bezaubert von ihrer Schönheit und hebt unablässig Tempo-Taschentücher auf, die sie ihm lässig vor die Füße wirft. »Ich will mit Willy auf einen Trip gehen und dann mit ihm schlafen«, verkündet sie selbstbewusst ihren Eltern, worauf Papa Romeos einziger Kommentar ist: »Erst machst du deine Hausaufgaben!«

Trotz ungewöhnlichster Aufführungstermine (Mitternachts- und Frühstückstheater) sind bereits jetzt alle weiteren Veranstaltungen ? auch die beiden Zusatzveranstaltungen ? restlos ausverkauft. Dass Bedarf für ein Sommertheater in Alzenau besteht, dürfte damit nach dem Jubiläumstheaterstück im vergangenen Jahr endgültig feststehen. Der Verein »kultBurG« hat dabei ein sehr sicheres Händchen in der Stückauswahl bewiesen. Viele schlummernde Talente konnten entdeckt und mobilisiert werden. Und so steht der Name der Gruppe nicht nur für Kultur, sondern mittlerweile auch für echten Theater-Kult. Die Stadt Alzenau ist damit um eine funkelnde Facette reicher geworden.

Doris Huhn

Romeo und Julia – MainEcho vom 10. Juni 2002

Heiter erotischer Totentanz mit strikter Rollenteilung

Die Gruppe »kultBurG« eröffnete am Freitag mit Shakespeares »Romeo und Julia« die Alzenauer Burgfestspiele 2002

Alzenau. Da hatten wohl die vielen bangen Blicke, die am Freitag gen Himmel gesandt wurden, und die Stoßgebete an Petrus geholfen: Die Premiere von »Romeo und Julia«, zugleich der Auftakt der Burgfestspiele Alzenau 2002, wurde von keinem Tröpfchen Regen getrübt. Und so gab es im Burghof große Unterhaltung mit der berühmtesten Liebestragödie der Welt. Nach über drei Stunden spendete das begeisterte Publikum allen Beteiligten stürmischen Applaus.

 

»Nein, ich bin nicht Romeo«, stellte Helmut Schuhmacher, Stellvertretender Bürgermeister von Alzenau, eingangs klar. Er erinnerte in seiner Begrüßung daran, dass sich im September vergangenen Jahres nach dem Erfolg der Aufführungen des Stücks »Lukas, der Silberschmied von Alzenau« eine Theatergruppe gegründet hat. Hauptanliegen von »kultBurG« ist es, regelmäßiges Open-Air-Theater in der Burg anzubieten. Schuhmachers Dank galt dabei vor allem Josef Pömmerl, der nicht nur Regisseur der Alzenauer Inszenierung von »Romeo und Julia« ist, sondern auch eine neue Übersetzung des Shakespeare-Stücks geliefert hat, die sich wohltuend von der weithin bekannten romantisierten Schlegel/Tieck-Übersetzung abhebt.

Dabei setzte die Alzenauer Inszenierung stark auf zwei Hauptmerkmale Shakespear’scher Dichtkunst. Da ist zum einen der zeitlose Humor, der erst zum Schluss der Tragödie vom Trauerspiel überdeckt wird. Zum anderen weckten die Dialoge zumindest eine leise Ahnung der oftmals derben sexuellen Anspielungen, die der englische Schriftsteller im Überfluss benutzte. Die Sommertheater-Sprache ist modernisiert und gut verständlich, bisweilen sogar neusprachlich (»Ist das nicht Scheiße, Alter?«).

Sicher, für etwas Verwirrung sorgte anfänglich die Tatsache, dass alle Capulet-Rollen mit Frauen und alle Montagues mit Männern besetzt wurden und das nicht, weil bei »kultBurG« Überschuss im männlichen oder weiblichen Sektor herrscht, sondern weil sich Romeo und Julia »kontrageschlechtlich« verhalten, wie es im Programmheft formuliert ist. Während Julia selbstbewusst ihre Gefühle auslebt und nicht die brave, angepasste Tochter ist, steht Romeo ständig vor einem Nervenzusammenbruch, den er letztlich schluchzend und wimmernd durchlebt. »Deine Tränen sind die einer Frau« muss er sich von Pater Lorenzo anhören.

Drei Stunden können die Zuschauer den Ausflug in das Verona vor 400 Jahren genießen. Vor einer überaus praktischen Kulisse (Jakob Flörchinger) entwickelt sich das Spiel um die beiden zerstrittenen Familien. Die speziell für das Stück in Auftrag gegebenen Kostüme sorgen für ein authentisches Gefühl. Wunderschön sind die Gewänder und mit vielen Details versehen, bestickt, gerafft, geschnürt oder mit Spitzen verbrämt.

Wie beim »Silberschmied« steuert auch dieses Jahr »Alia Musica«, ein Ensemble für historische Musik aus Frankfurt, den stilgerechten musikalischen Rahmen bei. Zusätzliche Effekte bringen historische Tänze (Choreografie Marion Emmert) und teils heftige und sehr echt in Szene gesetzte Fechtkämpfe, die von Emil Hartmann einstudiert wurden. Ein ganz dickes Lob gilt aber der 30-köpfigen Schauspieltruppe, die seit Januar geprobt hat. Alle trugen ein Stück zum Erfolg des Stückes bei. Vor allem das Pärchen Romeo und Julia bewältigte seinen schwierigen Part bravourös. Zur Premiere traten Katharina Wilz und Tobias Graupner auf, die Rolle teilen sie sich aber mit Regina Kilchenstein und Florian Munder, die ebenfalls dreimal auftreten werden.

Die Schüler aus der Theatergruppe des Spessart-Gymnasiums fanden den richtigen Ton und die richtige Körpersprache, um das berühmteste Liebespaar der Welt natürlich und ungestelzt auf die Bühne zu bringen. Katharina Wilz verkörperte eine Julia, der sicher noch ganz viele Romeos aus dem Publikum gerne den Hof gemacht hätten. Einige Darsteller, die wegen überdurchschnittlicher Leistungen im Ensemble auffielen, seien ebenfalls namentlich erwähnt. Da ist zunächst einmal die Amme. Gabi Wittemann ist scheinbar für diese Rolle geboren. Herrlich wie sie Schwatzhaftigkeit und geschicktes Verzögern beim Preisgeben einer Nachricht vereinte. In den Reihen von Romeos Verwandtschaft setzte Heiko Bozem als Mercutio Akzente. Dieser Typ, der den lieben, langen Tag »nur Schweinereien im Kopf hat«, klopfte einige der wohl eindeutig zweideutigsten Sprüche, ohne mit der Wimper zu zucken. Und da war noch der souveräne Uwe Schramm als Pater Lorenzo, der zunächst hofft, mit schlauer Umsicht die Fäden des Geschehens in der Hand zu halten, der aber dann erkennen muss, dass sie ihm entglitten sind.

Belebend für das Geschehen war, dass sich die Spielszenen immer wieder in den gesamten Zuschauerraum ausdehnten. Da traten ganze Gruppen vom Burgtor her auf, da erschien Romeo an einem geöffneten Fenster des Gerichts, oder eine wilde Fechtszene wurde auch schon mal vor der ersten Reihe ausgetragen. Die Ereignisse im zweiten Teil des Stückes wurden außerdem reizvoll durch die anbrechende Nacht untermalt: eine Szene auf der Bühne, die nur von einem Scheinwerfer erhellt wird, macht sich besonders gut, wenn zugleich noch echte Schwalben Sturzflüge proben. Und die Dramatik, die von einer Menschenmenge ausgeht, die mit echten Fackeln zur Gruft eilt, ist mit Open-Air-Atmosphäre deutlich gesteigert. Der berühmte Satz »Es war die Nachtigall und nicht die Lerche« war natürlich im idyllischen Burghof besonders gut am Platze.

Restkarten für die Vorstellungen von »Romeo und Julia« am 14., 15., 16. und 21. Juni, jeweils um 20 Uhr, sind beim Verkehrsamt der Stadt Alzenau erhältlich unter 06023/502-112.

Doris Huhn

Trainspotting – MainEcho vom 5. November 2002

Selbstzerstörerischer Trip durch sinnentleerte Welt aus Drogen, Sex und Gewalt

Theaterverein »kultBurG« mit »Trainspotting« in Wasserlos (K)ein Antidrogenstück

Alzenau-Wasserlos. Von »cool« über »abgefahren« bis zu »drogenverherrlichend« fiel das Urteil der jugendlichen Zuschauer über das neue Stück des Theatervereins »kultBurG« aus. Auch bei einem Teil des erwachsenen Publikums blieb ein schaler Nachgeschmack: War »Trainspotting« wirklich ein Antidrogenstück? Oder machte es nicht vielmehr durch das ungenierte Zurschaustellen des Umgangs mit Drogen und der überzeugenden Vorstellung von der fantastischen Wirkung Appetit auf Heroin und Co?

 

Unter der Regie von Ursula Jebe brachten in der Hahnenkammhalle ehemalige Mitglieder des Grundkurses »Dramatisches Gestalten« am Spessart-Gymnasium und Mitglieder von »kultBurG« in 90 Minuten »Trainspotting« auf die Bühne. Das Stück basiert auf dem 1993 erschienenen gleichnamigen Roman des schottischen Autors Dany Boyle. Verfilmt wurde der Stoff, der den Alltag einer Clique von Heroinabhängigen in einer Vorstadt von Edinburgh beschreibt, drei Jahre später. Sowohl Buch als auch Verfilmung sorgten seinerzeit für konträre Reaktionen.

Fäkalsprache und schwarzer Humor Die Ankündigung der Alzenauer Theaterfreunde, dass der Besuch der Veranstaltung wegen einiger Textstellen sowie der Darstellung von Gewalt und Drogen erst für Zuschauer ab 16 Jahren geeignet war, hatte im Vorfeld bei manchem Jugendlichen eher für erwartungsvolle Vorfreude gesorgt: Sollte man hier noch etwas lernen? Und tatsächlich stieg man hier mit extremen Dialogen ein und führte diese über 90 Minuten fort, die auch nicht in entschärfter Version zitiert werden können. Da mutete das »sexistische Arschloch« unter den ganzen f- und w- und v-Wörtern aus der Gosse noch harmlos an. Flott ging den Akteuren die Fäkalsprache über die Lippen und flott war auch die Vermischung der Schilderung des Drogenalltags mit einem tüchtigen Schuss schwarzen Humors. Aber sollte man wirklich die Schilderung eines Süchtigen, der in seiner eigenen Sch… auf einer vollkommen verdreckten öffentlichen Toilette wühlt, um an das gerade ausgeschiedene Opiumzäpfchen zu gelangen und dies mit blumigen Worten und untermalenden Gesten beschreibt, mit einer Prise Situationskomik würzen?

Gefährlich harmlos Szenenlang setzten sich die jungen Leute einen Schuss auf offener Bühne, um danach mit verklärtem Gesicht zu beschreiben, wie easy und entspannt sie sich nun fühlten (»totaler Wahnsinn«). Und Philosoph Mark (Thomas Scharwies in einer grandiosen schauspielerischen Leistung) könnte glatt eine Stelle als Drogen-Werbebeauftragter annehmen, wenn er nicht gerade dem »normalen« Leben abgedankt hätte: »Ich hab zum Ja-Sagen nein gesagt!« »Was gibt dir der Stoff? Ich will’s mal kapieren«, drängt ihn Tommy (Heiko Bozem). Und Mark erklärt: »Damit kommt mir alles wirklicher vor. Das Leben ist so scheißlangweilig.

Keine Antworten auf die wirklich großen Fragen.« Dabei bezeichnet er Heroin als » ehrliche Droge, weil sie die ganzen Illusionen einfach über den Haufen wirft. Ändert Bewusstsein nicht, gibt nur einen Kick.« Gefährlich harmlos waberte dieser Satz durch die Hahnenkammhalle, alles klang so verlockend, so einfach. Und wer unter den Jugendlichen hatte nicht selbst schon genau dieses »Scheiß-auf-die-Welt-Gefühl« verdammt gut gespürt, dieses tiefe, schwarze Loch der Selbstfindung? »Junk stopft das Loch und befriedigt den Selbstzerstörungstrieb« heißt es dazu.

Neben Drogen geht es in den mehr oder weniger kurzen Szenen in »Trainspotting« um Gewalt und Sex. Da steht ein Typ (Christian Woltering) am Rande der Bühne und zielt mit einem Gewehr ins Publikum (»Die nennen mich sick boy. Ich knall mir das Hirn zu«). Ein anderer schlägt seine schwangere Freundin und denkt dabei: »Hoffentlich hat sie meine 501 gewaschen.« Das allgemeine Null-Bock-Gefühl lässt sich an vielem festmachen. »Wir werden von Staatskrüppeln regiert und was sind wir dann?«

Der Dealer ist der König unter den Drogenabhängigen, dem mancher auf Scherben entgegenrobben würde für einen Schuss. Das Thema AIDS und Kondome wird mit Verachtung abgetan (»Ist doch alles scheiß-safer heute« und »Warum nicht das Schicksal herausfordern, dann wüsste ich wenigstens, dass es mich noch gibt«). Lösungen oder Alternativen zeigt »Trainspotting« nicht auf. Den Drogenentzug mit Methadon (»Suchtbefriedigung aus dem Staatssäckel«) bricht Mark ab und wird daheim von seiner alkoholsüchtigen Mutter in seinen Halluzinationen begleitet.

Am Ende trägt die Clique Tommy zu Grabe, der sich einen goldenen Schuss gesetzt hat. Donnernder Applaus Danach donnernder Applaus für alle Akteure, die vielleicht ihr schwierigstes Stück auf die Bühne gebracht haben neben den bereits Erwähnten: Florian Munder, Tobias Graupner, Alexander Klawitter, Kathrin Meyer-Oschatz, Regina Kilchenstein, Julia Raffler, Barbara Vogel-Hohm, Friedericke Thomalla, Katharina Wilz und Inge Meyer.

Doris Huhn

Letzter Wille – MainEcho vom 28. Oktober 2002

Alzenau. Ein Kabinettstückchen schwarzen Humors präsentierte der Theaterverein kultBurG mit seiner neuen Produktion, Fitzgerald Kuszs Komödie “Letzter Wille”. Das genial von Uwe Schramm inszenierte Laientheater, das allen fünf Veranstaltungstagen ausverkauft war und ist, (am Donnerstag war Premiere, heute steigt die letzte Vorstellung im Maximilan- Kolbe-Haus) setzte neue Maßstäbe für Laientheater. Bei der achtköpfigen Truppe saß der Text