Alexander Finkel rezitiert Heinrich Heine in der Burg – MainEcho 11. Dezember 2006
Ein umstrittener Dichter
Alexander Finkel rezitiert Heinrich Heine in der Burg
Alzenau. »Tag und Nacht gedichtet und habe nichts ausgerichtet« – diese Worte von Heinrich Heine gehen an der Wirklichkeit vorbei, tangieren sie nicht einmal. Denn hätte der Dichter, an dessen 150. Todestag in diesem Jahr gedacht wurde, wirklich nichts ausgerichtet, warum ist er dann so umstritten?
Was das Werk Heines auszeichnet, das konnte man am Samstagabend auf der Alzenauer Burg erkennen, als Alexander Finkel im Rittersaal Poesie von Heinrich Heine vortrug. Das Programm »Sehnsucht, Spott und Poesie« des gebürtigen Wormsers, der heute in Weimar lebt, brachte einen Querschnitt aus dem sehr umfangreichen und variationsreichen Werk des Dichters.
Da war Erotisches dabei, auch Gruseliges und zugleich Lustiges, etwa das Lied der Geister auf dem Friedhof, die alle durch die Liebe auf den Gottesacker kamen. Da gab es aber auch Gedichte, die einfach nur von der Gewalt der Bilder zeugten, die Wörter erzeugen können.
Es fehlte natürlich nicht der politische Heine, etwa in seinem Gedicht »Die Weber«, das unter dem Eindruck des schlesischen Weberaufstandes entstanden ist: »Deutschland, wir weben dein Leichentuch…« Dieses Gedicht war übrigens Pflichtlektüre für Schüler in der DDR, die Heine als ihren Dichter vereinnahmt hatte. Dabei war Heine vielleicht ein Freund von Karl Marx, aber nicht des Kommunismus, wie seine Briefe beweisen. Und seine Beliebtheit in der DDR hatte auch damit zu tun, dass man ihn durchaus anders verstehen konnte, als dies die Funktionäre taten.
Andererseits war er aber auch nicht jener »Vaterlandsverräter«, als der er im Westen gebrandmarkt wurde. Gab es doch noch vor wenigen Jahren heftigen Streit in Düsseldorf, als es darum ging, die Universität nach ihm zu benennen. Dabei war Heine bekennender Deutscher, aber eben ein kritischer Deutscher, wie dies auch in seinem bekanntesten Werk »Deutschland, ein Wintermärchen« anklingt, aus denen Finkel Teile als Zugabe rezitierte.
Und noch mit einem weiteren, oft gehörten falschen Zitat räumte Finkel auf. »Denk ich an Deutschland in der Nacht« – diese Worte leiten nicht etwa das »Wintermärchen« ein, sondern die »Nachtgedanken«. Und jenes Gedicht ist kein deutschlandkritisches Werk, sondern ein Liebesgedicht an seine Mutter.
Es waren diese Geschichten zu den Gedichten, die zusätzliche Farbe in die Veranstaltung brachten. Dabei hätte man gerne noch etwas mehr Hintergrund zu den einzelnen Werken erfahren. Dennoch hatte Finkel eine sehr offene, einfühlsame Art, die Gedichte zu erzählen. Seine Vortragsweise wechselte von dramatisch – eben »Theater fürs Ohr«, wie er seine Lesungen nennt – bis seidenweich.
Dabei ging er auch einmal rezitierend durch die Zuhörerreihen oder sprach einzelne Personen direkt an. Sehr wichtig war ihm der Kontakt mit den Zuhörern, die in der Pause und nach dem Programm mit ihm
diskutieren konnten.
Eingeladen zu der Lesung hatte der Alzenauer Theaterverein kultBurG, der damit eine Art Premiere feierte – erstmals kein eigenes Programm, sondern das Gastspiel eines auswärtigen Schauspielers. Schade war nur, dass dabei die Zuhörerzahl doch überschaubar blieb. Denen die da waren, hat es aber gefallen, wie der lang anhaltende Applaus bewies.
Josef Pömmerl